Hans Gernert aus Rehweiler (auf dem Bild zusammen mit seiner Frau, zwei Kollegen und unserem Rektor) schreibt über seinen Besuch in Logaweng in der ersten Februarhälfte 2020:
Im Sommer 2018 war eine Delegation aus Logaweng zu Besuch im Dekanat Castell: Pastor William Sugoho, Vikar Russel, Rebecca Kosieng und Rachael Peandi. Die Männer waren bei Dekan Günther Klöss-Schuster, die Frauen bei Birgit Scheller untergebracht. Wir hatten sie zu einigen Veranstaltungen auch in unsere Pfarrei Rehweiler eingeladen. Ihr Besuch war ein guter Anlass für Pfarrer Martin Oeters, das Amt des Dekanatsmissionspfarrers an mich, Hans Gernert, zu übergeben. Ich habe Vorerfahrungen in der Partnerschaftsarbeit mitgebracht, als ich 2017 in mein Heimatdekanat Castell, Pfarrei Rehweiler, gewechselt bin. Eigentlich wollte ich die weite Reise nach Papua-Neuguinea nicht unternehmen. Doch durch den engen Kontakt mit Logaweng durch Annegret und Knut Cramer sowie durch Jomie Wild, der bereits zwei Vorträge bei uns in Rehweiler und in Abtswind über Logaweng gehalten hatte, aber auch durch unser Gemeindeglied Inge Derrer, die 20 Jahre lang engagiert als Dekanatsmissionsbeauftragte im Dekanat Castell gewirkt hat, wurde ich motiviert zu einer Partnerschaftsreise. Bei der Planung unseres Urlaubs in den Faschingsferien drängte sich mir darum die Frage auf: Warum statt nach Zypern zu fliegen nicht gleich etwas weiter… Ein Blick in den Kalender und Nachfragen bei der Schule und beim Casteller Dekan bestärkten mich, nicht erst in ein paar Jahren, sondern jetzt eine Reise nach Logaweng in Angriff zu nehmen. Man wird ja auch nicht jünger und ein Besuch macht mehr Sinn am Beginn meiner Zeit als Dekanatsmissionspfarrer als später. Die Reisezeit im Februar erwies sich als günstig, denn die Trockenzeit hält hier noch an. Von unserer Casteller Partnerschaftsgruppe konnte sich allerdings niemand so relativ kurzfristig Zeit nehmen. Darum bin ich mit meiner Frau Karin auf eigene Kosten geflogen. Es war uns wichtig, dass wir unsere Eindrücke auch später noch teilen können, so wie es uns mit der Partnerschaftreise nach Tansania im Jahr 2002 geht. Die Erfahrung dieser Reise ins Uffenheimer Partnerdekanat Nord-Massai lässt uns nun hier in Papua-Neuguinea viele Parallelen empfinden: Die Nähe zum Äquator, die relativ gleichbleibende Zeit von Sonnenaufgang und -untergang (6 Uhr und 18 Uhr), das schwül-warme Wetter, die schwierigen Straßenverhältnisse, die einfachen Hütten im Busch, der sorglose Umgang mit Müll, die Straßenmärkte und Straßenverkäufer, die Rolle der Frau (in Tansania tragen die Frauen die Lasten auf dem Kopf, hier in Bilums ebenfalls mit dem Kopf), die hohe Arbeitslosigkeit, der andere, entschleunigte Umgang mit der Zeit, das eigene Gefühl des materiellen Privilegiertseins und Reisenkönnens und vieles mehr.
Doch bevor wir einreisen durften in Port Moresby, bekamen wir einen großen Schreck: Der Schalter „Visa on arrival“ (Visa bei der Ankunft) war aus nicht nachvollziehbaren Gründen aufgrund einer spontanen, undurchdachten Anordnung des Präsidenten wegen des Coronavirus über Nacht geschlossen worden. Niemand hat uns in Singapur darauf hingewiesen. Air Niugini hat uns ohne Hinweis oder Kontrolle eines Visums einsteigen lassen. Nun meinte der Beamte, dass wir wieder nach Singapur zurückfliegen und dort ein Visum beantragen müssten. Zum Glück war Reinhard Lorenz aus Port Moresby da und durfte zu uns. Nach einigem Palaver schaute Reinhard Lorenz im Internet nach und sah, dass man den Antrag online stellen kann. Mit dem PC am Flughafen funktionierte es nicht. Der Beamte war so frei, dass er uns ohne Visum gemeinsam zur Wohnung von Reinhard Lorenz fahren ließ, wo wir die Anträge online ausfüllen, ausdrucken und zum Beamten am Flughafen bringen konnten. Jetzt konnte er uns einen Stempel in die Reisepässe machen und einreisen lassen. Mit dem nächsten Flieger am Nachmittag konnten wir dann nach Lae fliegen, wo uns Knut Cramer am Flughafen abholte. Zwei Tage verbrachten wir in Lae im SIL-Gästehaus und gewöhnten uns an den Verlust von 9 Stunden und die tropischen Temperaturen über 30 Grad. Bei der Kirchenleitung in Ampo verabredeten wir uns mit dem Koordinator für Partnerschaften, Pfarrer Kinim Siloi. Nebenan sitzt Pfr. Don B. Muhuyupe. Wir waren erstaunt, dass der ergraute Herr so gut Deutsch sprach. Während Kinim Siloi einen Brief aus Bürglein an das Dekanat Kerowagi kopierte, schaute er herein. Ich wollte ihm einen Platz anbieten, als Kinim Siloi zurückkam und streng meinte: „Der verschwendet unsere Zeit! Ihr könnt anschließend noch zu ihm gehen.“ Don Muhuyupe erregte meine Aufmerksamkeit, weil Karin bei den alten Unterlagen zur Partnerschaft mit Logaweng einen Brief von ihm an den Wiesenbronner Pfarrer Gottfried Seiler aus dem Jahr 1990 in Händen hatte. Darin fragte er eine Partnerschaft an. Für mich ist das bislang der einzige Hinweis auf den Beginn der Partnerschaft zwischen Castell und Logaweng. Muhuype war Lehrer am Senior-Flierl-Seminar Logaweng von 1982 bis 2005. Da es in PNG kein Rentensystem gibt, bleiben „Ruheständler“ nicht selten in ihren Diensthäusern oder Büros, erhalten noch ein geringes Gehalt, blockieren dadurch aber auch eine effektive Weiterarbeit. Gottfried Seiler war vor seiner Zeit in Wiesenbronn ebenfalls kurz in Logaweng und dann vor allem Boana tätig…
Die Überfahrt von Lae nach Finschhafen mit einem Schnellboot verlief bei ruhiger See insgesamt angenehm. Bei einem Zwischenstopp kam eine ältere Dame auf uns zu, erkannte uns als Deutsche und schenkte uns drei Bananen, weil „von Deutschland das Evangelium zu uns kam“. Diese Dankbarkeit erlebten wir dann auch durchgehend in Logaweng, das vom Dekanat Castell eine jährliche Unterstützung von inzwischen 7500 € erhält. Damit wird vor allem ein Teil des Schulgeldes für die Kinder der Studenten und Lehrer sowie die Anschaffung von theologischen Büchern gefördert. In den letzten beiden Jahren wurde zusätzlich geholfen, einen neuen Truck für die Schulfahrten der Kinder anzuschaffen sowie drei Klassenzimmer zu renovieren. Als Vertreter „aus Castell“ wurden wir mit Blumenkränzen, „Weihwasser“, Gebet, Gesang und Naturalien an der Gartengrenze von Jomie’s Haus, in dem wir Aufnahme fanden, herzlich willkommen geheißen.
Am anderen Tag durfte ich auf Englisch predigen. Pastor William Sugoho unterstrich am Ende den Gedanken, der ihn besonders bewegte: „Das Reich Gottes ist dort, wo niemand mehr verletzt wird und alle Verletzungen heilen.“
Logaweng liegt auf einer Anhöhe. Ein holpriger Feldweg führt von Gagidu hinauf. Die abgeschiedene Lage ist für das Gemeinschaftsleben auf dem Campus und für die Sicherheit von Vorteil. Übersetzt bedeutet Logaweng „Tarogarten“. Auch heute werden hier noch Taro angebaut. Die ersten Missionare kamen 1906 hierher und betrieben eine Schule, das Seminar wurde Ende 1956 gegründet. Man sieht hinunter zum Pazifik und kann die Tami-Inseln sehen, die 12 km von der Küste entfernt liegen. Die Häuser sind luftig gebaut. Bei tropischem Klima über 30 Grad tut ein frischer Wind gut. Der Gesang der Vögel (Klalack, Tauben, Papageien, lachender Hans u.a.) und das laute Zirpen der Zikaden rund um die Uhr begleiten das Leben. Wir hatten das Gefühl mitten in freier Natur zu zelten. Was für Gäste paradiesisch anmutet, ist für die Einheimischen ein Umfeld für einen ständigen Überlebenskampf. Manche Studenten tun sich schwer, die Schulgebühren von umgerechnet etwa 250 bis 300 € im Jahr zu bezahlen, wenn sie nicht von einer Gemeinde oder Verwandten unterstützt werden.
Unterricht ist vormittags. Wir haben einige Stunden miterlebt. Abgesehen von der Pünktlichkeit am Morgen geht es konzentriert und nicht selten lustig zu.
Nachmittags ist Zeit zum Eigenstudium und für die Gartenarbeit. An zwei Nachmittagen (Montag, Mittwoch) findet für 2 Stunden Gemeinschaftsarbeit für die Pflege des Campus statt. Es ist Pflicht für jeden Studenten, ein Buschmesser mit ins Seminar zu bringen. Die Studenten kommen in der Mehrzahl aus Dörfern und müssen sich von den Gärten, die ihnen zugewiesen werden, selbst versorgen. Von ihren Eltern haben sie das Gärtnern gelernt: roden, Feuerholz machen, Laub verbrennen, Wurzelstöcke entfernen, säen, pflanzen, ernten. Die Gärten haben oft eine Hanglage, was die Arbeit erschwert. Nach zwei bis drei Jahren sind die Böden verbraucht und eine 10jährige Brache dient der Erholung. Dann beginnt man wieder mit Brandrodung. Angebaut werden zum Beispiel Erdnüsse, Süßkartoffeln, Taro, Bohnen, Mais, Trockenreis, Bananen, Ananas, Blattgemüse, Zwiebeln. Kartoffeln und Karotten kommen aus dem Hochland und müssen auf dem Markt gekauft werden.
Das Seminar stößt kapazitätsmäßig derzeit an seine Grenzen. 87 Studenten sind derzeit hier. Ab dem zweiten Jahr dürfen sie ihre Frauen mitbringen. So leben auch über 40 Frauen und über 80 Kinder mit auf dem Gelände. So übernimmt das Seminar auch eine soziale Aufgabe für die Frauen und Kinder. Das Versammlungshaus „Hausbung“ wird auch als Kindergarten genutzt. Im Anbau ist die Kinderbücherei, die fleißig genutzt wird. Auf dem Gelände gibt es für die ersten drei Schuljahre eine Elementarschule. Alle anderen Kinder müssen nach Gagidu oder Dregerhafen zur Schule gefahren werden. Dazu ist der Truck unerlässlich. Für die Frauen gibt es eigene Fortbildungskurse. Manche lernen hier erst noch das Lesen und Schreiben – und sollen ja als Pfarrfrauen die Männer unterstützen. Aus unserer Sicht werden sie hier auf eine konservative Rolle festgelegt: „Dienen ohne Lohn“. Die Gärten reichen gerade noch. Die Wasserversorgung bereitet seit zwei Jahren zunehmend Probleme: Die Pumpe ist zu schwach, Wassertanks für das Regenwasser sind alt und verrostet, manche Leitungen sind schon 50 Jahre alt und müssen erneuert werden. So haben die Studenten nur am Morgen und am Abend Wasser aus der Leitung vor dem Haus. In den Unterkünften gibt es zwar Lichtstrom, aber keine Steckdosen. Elektrische Geräte haben die Studenten nicht. Handys laden sie entweder mit Solarzellen oder in Klassenräumen. Kein Student kann sich ein Auto leisten. Wir durften kurz in die zwei Zimmer einer Familie hineinschauen. Die Mutter schläft mit ihren Kindern unter einem Moskitonetz auf einer dünnen Matte am Boden. Persönliche Gegenstände sind auf dem Boden verteilt. Der Vater schläft nebenan ähnlich bescheiden und hat noch einen Schreibtisch zum Studieren zur Verfügung. Gekocht wird in Hütten. Auch die Sanitäreinrichtung ist außerhalb. Während der Regenzeit sind Schirme unerlässlich.
Die Lehrer und Überseemissionare haben einen höheren Wohnstandard, verzichten aber dennoch auch auf vieles, was es in der Stadt geschweige denn in Deutschland gibt.
Auf diesem Hintergrund ist die Dankbarkeit bei allen Studenten und einheimischen Lehren groß für die zuverlässige Unterstützung aus Castell.
Annegret und Knut Cramer haben uns viel gezeigt, erklärt, übersetzt und auch die Schwierigkeiten offen ausgesprochen, mit denen sie hier zu tun und manchmal auch zu kämpfen haben. Auch im Seminar gibt es Vetterleswirtschaft und ein Wirtschaften in die eigene Tasche. Darum ist es gut, dass Knut als Finanzmanager über den Haushalt des Seminars wacht und für Transparenz sorgt. Mit dem Wantok-Denken und einer sauberen, geregelten Buchhaltung treffen zwei verschiedene Lebenswirklichkeiten spannungsreich aufeinander.
Auch bei der Frage, wer denn ein Stipendium erhält, geht es leider nicht immer danach, wer geeignet und begabt ist, sondern wer die besseren Beziehungen hat. Im Fall von William Sugoho trifft das aber nicht zu. Er kann jetzt sein Masterstudium am Martin-Luther-Seminar in Lae beginnen.
Gottesdienst und freies Gebet werden in Logaweng großgeschrieben. Neben dem Sonntagsgottesdienst gibt es jeden Morgen nach der ersten Unterrichtsstunde, die um 7 Uhr beginnt, um 7:50 Uhr einen Morgengottesdienst, den Studenten und Lehrer gemeinsam halten. Die Frauen und Kinder sind mit dabei. Nur ein freies Gebet ist ein richtiges Gebet. Predigten sind oft eine Paraphrase des Bibeltextes, wollen im Glauben stärken und zu einem christlichen Leben ermutigen.
In den 2 Wochen hier in Logaweng zeigten uns Annegret und Knut Cramer die historischen Orte der Region Finschhafen, den Ankunftsort des Pioniermissionars Johann Flierl in Simbang, seine weiteren Missionsstationen auf dem Sattelberg und in Heldsbach, die Gräber der Erstgetauften Tobias und Silas und sehenswerte Kirchen in der Nähe.
Mit einem einheimischen Pfarrer unternahmen wir einen Ausflug zu den Tami-Inseln mit herrlichen Sandstränden, Palmen und Korallen. Beim Schnorcheln sahen wir zauberhafte Fische. Seit einer Woche ist auch Jomie Wild wieder vor Ort. Mit ihm brechen wir nun zum zweiten Teil unserer Reise ins Hochland auf. Von Lae fahren wir am Montag, 17.2.2020, nach Goroka zu Martin und Regine Weberruß. Kewamugl und das Bürgleiner Partnerdekanat Kerowagi stehen danach auf dem Programm. In Kerowagi soll uns dann am Sonntag, 23.2., Peter Gigmai abholen und in die andere Pfarrerausbildungsstätte Ogelbeng bringen, bevor wir die Rückreise von Mount Hagen über Port Moresby und Singapur antreten.